Köln zur Zeit Offenbachs
Französische und Preußische "Besatzung"
Quelle: Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, 1991.
Elektronische Ressource: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11356015
Das der Stadt Köln von Napoléon Bonaparte 1811 verliehene Wappen mit den Bienen im Schildhaupt, bekrönt von den Mauerzinnen der Stadt und dem Adler Napoléons. Der quer liegende Merkurstab verweist auf die Bedeutung Kölns als Handelsstadt.
Als Jakob Offenbach am 20. Juni 1819 das Licht der Welt erblickte, hatte seine Heimatstadt Köln gerade erst eine der größten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen seiner langen und traditionsreichen Geschichte hinter sich gebracht: Die Französische Revolution des Jahres 1789 erreichte innerhalb von fünf Jahren die am Rhein gelegene „Freie Reichsstadt“. Spätestens mit der Besetzung Kölns am 6. Oktober 1794 und der symbolischen Übergabe der Stadtschlüssel an die Franzosen war jedem Kölner und jeder Kölnerin klar, dass die Zeit, in der Köln als weitgehend autonome Insel innerhalb des Heiligen Römischen Reiches agierte, dem Ende geweiht war. Die Besetzung Kölns durch die Franzosen prägt die Stadt bis in die Gegenwart. Die zahlreichen entscheidenden Neuerungen, namentlich die Auflösung des seit 1396 eingesetzten Rates der Stadt (1796/1797), die kurzzeitige Eingliederung Kölns in die Französische Republik (1801/1802) sowie die Einführung einer neuen Stadtverfassung (1798) und Neugliederung der Stadtverwaltung, führten Köln – wenn auch unter Zwang und nicht ohne Widerstand – aus seinen mittelalterlichen Strukturen langsam aber beständig heraus.
Kölnisches Stadtmuseum, Graphische Sammlung
Rheinisches Bildarchiv Nr. 030631
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05205713
Reproduktion eines Kupferstichs, vermutlich von Charles Dupuis, um 1795
Zugespitzt lässt sich also sagen, dass Frankreich bereits vor der Geburt Jakob Offenbachs einen erheblichen Einfluss auf sein Leben genommen hatte. Schließlich war die im Zuge der französischen Verwaltungsreformen durchgesetzte Emanzipation der Juden (1798) dafür verantwortlich, dass Jakobs Vater Isaac Offenbach (1779-1850) überhaupt von der „Schäl Sick“ Deutz in das linksrheinische Köln übersiedeln und sesshaft werden durfte. Seit dem Jahr 1424 waren Juden in Köln unerwünscht, durften nicht in Köln wohnen und mussten sogar für einen Tagesverbleib eine Sondergenehmigung beantragen und einen diskriminierenden Leibzoll zahlen. Isaac Offenbach bezog zusammen mit seiner Deutzer Frau Marianne, geb. Rindskopf, erst im Jahr 1816 – also zwei Jahre nach dem Abzug der Franzosen aus Köln – sein neues Domizil am Großen Griechenmarkt. Das von den Franzosen eingeführte (aber nach wie vor eingeschränkte) Bürgerrecht der Juden wurde zwar von den neuen Herrschern, den Preußen, im Kern nicht angetastet, dennoch hatten es vor allem die zugezogenen Juden schwer, wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Trotz so mancher widriger Umstände konnten sich aber seit dem Ende des 19. Jahrhunderts allmählich wieder jüdische Gemeinden in Köln entwickeln.
HAStK Best. 7550, U 321
Über eine lange Geschichte verfügt das heutige Kölner Stadtwappen. Es existiert seit rund 700 Jahren.
Während der französischen Besatzung (1794 – 1815) verlieh Napoléon Bonaparte Köln ein neues Wappen. Dies geschah mit Urkunde vom 6. Juni 1811.
Das Wappen zeigt die für Napoléons Herrschaft üblichen Bienen im Schildhaupt, bekrönt von den Mauerzinnen der Stadt und dem Adler Napoléons. Das auf der Urkunde bildlich dargestellte Wappen fällt schlichter aus und zeigt nur den Wappenschild. Die Urkunde wurde persönlich von Napoléon unterzeichnet. Angehängt ist das Siegel Napoléons an gelb-blauem Seidenband.
Die Jüdische Gemeinde in Köln
Die Öffnung Kölns für Juden und Protestanten im Jahr 1798 löste in der Domstadt keine religiös-motivierte Völkerwanderung aus. Vielmehr veränderten sich die religiösen Bevölkerungsstrukturen eher schleichend. Zu unsicher erschien vielen die von den Franzosen forcierte Emanzipation. Mit Joseph Isaac Stern und seiner Frau Sara zogen bereits im Jahr 1798 die ersten Juden von Mülheim nach Köln. Im Jahr 1801 waren es immerhin schon 18 jüdische Familien, die den durchaus risikobehafteten Umzug nach Köln wagten. Für das Jahr 1808 führt das Namensregister der Stadt Köln 133 jüdische Bürgerinnen und Bürger auf. Dieser doch eher langsame Anstieg der jüdischen Bevölkerung kann vor allem im Hinblick auf die Unsicherheit der politischen Verhältnisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts gesehen werden. Schließlich schränkte das so genannte „Schändliche Dekret“ (1808) Napoleons die augenscheinliche Emanzipation der Juden wieder ein.
Der ebenfalls im Jahr 1798 zugezogene Kaufmann und Bankier Salomon Oppenheim (1772-1828) gründete mit den wenigen anderen jüdischen Familien im Jahr 1801 die erste Gemeinde seit der Verbannung der Juden im Jahr 1424. Ein kleines Gebetshaus wurde im alten Klarissenkloster in der Glockengasse eingerichtet. Im Jahr 1807 wurde eine erste Synagoge in einem von dem Metallkaufmann Samuel Benjamin Cohen (1771-1840) gekauften Haus, ebenfalls in der Glockengasse, zur Verfügung gestellt. Es handelte sich hierbei um jene jüdische Gemeinde, der ab der Mitte der 1820er Jahre auch Jakob Offenbachs Vater Isaac als Kantor (Chasan) angehörte. Eine repräsentative Synagoge erhielt die Gemeinde hingegen erst einige Zeit später: Im Jahr 1857 wurde auf Betreiben Abraham Oppenheims (1804-1878), dem Sohn Salomons, der Grundstein für die Synagoge in der Glockengasse gelegt. Die Bauplanung übernahm niemand geringeres als der Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner (1802-1861). Nach vier Jahren Bauzeit wurde die Synagoge im Jahr 1861 eröffnet. Ein neues Gotteshaus war für die mittlerweile stärker angewachsene jüdische Gemeinde dringend notwendig geworden. Um das Jahr 1860 wohnten etwa 2.300 Juden in Köln.
Rheinisches Bildarchiv Nr. 57925
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05150323
Reproduktion eines Porträts, Maler vermutlich Joseph Weber, 1803
Kölnisches Stadtmuseum, Inv.-Nr. HM 1899/344
Rheinisches Bildarchiv Nr. 033290
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05115602
Kolorierte Lithographie von Joseph Hoegg, Lithographisches Institut von Levy Elkan, Bäumer und Co., Düsseldorf
Diese von Joseph Hoegg (1818-1885) geschaffene Lithographie zeigt die Synagoge in der Glockengasse, wie sie von 1861 bis 1938 bestanden hatte. Sie wurde genau an dem Ort errichtet, wo vormals das Klarissenkloster stand, das für die erste jüdische Gemeinde in Köln als Bethaus umfunktioniert wurde. Finanziert wurde der Bau von Abraham Oppenheim (1804-1878). Gebaut wurde sie nach Plänen des Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner (1802-1861).
Kölnisches Stadtmuseum, Inv.-Nr. HM 1899/191, A I 3/453
Rheinisches Bildarchiv Nr. 100234
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05115601
Kolorierte Lithographie von Joseph Hoegg, Lithographisches Institut von Levy Elkan, Bäumer und Co., Düsseldorf
Jakob Offenbach wuchs demnach in für Juden schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen auf, die es erforderlich machten, dass die Kinder jüdischer Familien früh in die Sicherung des Familienunterhalts eingebunden werden mussten. Dies traf auch auf die Kinder Isaac Offenbachs zu.
Kölner Musik- und Theaterleben
Die politischen Umwälzungen Kölns vom 18. zum 19. Jahrhundert wirkten sich in erheblichem Maße auch auf das kulturelle Leben in der Domstadt aus. Das Musik- und Theaterleben kam während der französischen Besatzung fast vollständig zum Erliegen. Die Franzosen störten sich vor allem am Kölner (Straßen-)Karneval, den sie im Jahr 1795 zunächst offiziell untersagten. Allerdings hoben die französischen Besatzer dieses Verbot im Jahr 1803 wieder auf. Im Zuge eines Dekrets Napoleons aus dem Jahre 1806 wurde das Theaterwesen der Republik neu strukturiert. Es war demnach nur den großen Städten wie Paris, Brüssel oder Straßburg gestattet, eine dauerhaft bestehende Bühne zu unterhalten. Alle weiteren Städte wurden in 25 Arrondissements eingeteilt, in denen einige wenige Wandergesellschaften für Unterhaltung sorgten. Köln gehörte mit Aachen, Kleve, Mons, Tournay, Spa und Lüttich zum 22. Theaterbezirk.
Dabei hatte die Stadt Köln erst einige Jahre zuvor ein festes Theatergebäude erhalten. Das in den Jahren 1782 von Stadtbaumeister Johann Caspar Dechen errichtete und 1783 eröffnete „Komödienhaus“ in der Schmierstraße (ab 1812 Komödienstraße genannt) verschlechterte sich in seinem baulichen Zustand in den Revolutionsjahren jedoch zunehmend. Den Kölnerinnen und Kölnern fehlte es in dieser Zeit vor allem an Geld, um sich solcherlei Unterhaltungen wie Musik- und Theaterveranstaltungen überhaupt leisten zu können. Den Musikern und Theatertreibenden ging es freilich nicht anders. Mit der Säkularisation, also der Einziehung aller kirchlichen Vermögen durch den französischen Staat im Jahr 1802, endete vorerst auch das finanziell gesicherte Bestehen der Kölner Domkapelle. Trotz dieses herben Schlags unternahmen ehemalige Mitglieder der Domkapelle und Dilettanten immer wieder Anläufe, dem Musikleben in Köln neues Leben einzuhauchen. Ab dem 1. Juli 1808 konnte zumindest eine immer sonntags stattfindende Musikveranstaltung im Dom etabliert werden, an denen sich etwa 60 bis 70 Musiker und Sänger beteiligten. Einer der führenden Köpfe der Widerstandskämpfer gegen den musikalischen Verfall in Köln war Bernhard Joseph Meurer, der in dieser Zeit als Dirigent des Domorchesters in Erscheinung trat. Meurer war der Großvater des späteren Cellisten Bernhard Breuer, der einst Jakob Offenbachs zweiter Cellolehrer in Köln werden sollte.
Kölnisches Stadtmuseum, Graphische Sammlung
Rheinisches Bildarchiv Nr. 166669
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05210234
Reproduktion einer Litographie, Litograph n. b.
Kölnisches Stadtmuseum, Graphische Sammlung
Rheinisches Bildarchiv Nr. 89505
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05210277
Xylographie von Georg Osterwald
Wegweisend für die Wiederbelebung der Kölner Musiktätigkeit war außerdem die Gründung der „Musikalischen Gesellschaft“ im Jahr 1812. Die „Musikalische Gesellschaft“ organisierte fortan Konzerte, allen voran die Winterkonzerte, die sich rasch großer Beliebtheit unter den Kölnerinnen und Kölnern erfreuten. Die ehemaligen Musiker der Domkapelle und zahlreiche Laien-Musiker firmierten nach dem Abzug der Franzosen aus Köln im Jahr 1814 unter dem Namen „Verein der Dommusiken und Liebhaberkonzerte im Lemberzschen Saal“. Die Mitglieder dieser Vereinigung beteiligten sich auch an den so genannten „Niederrheinischen Musikfesten“, die erstmals im Jahr 1818 in Düsseldorf veranstaltet wurden. Im Jahr 1821 fand dieses Fest zum ersten Mal in Köln statt. Beteiligt haben sich dabei auch die Mitglieder des 1820 in Köln gegründeten „Singvereins“.
Köln schien die schwere Krise des Musik- und Theaterlebens in den 1820er Jahren mehr und mehr zu überwinden. Durch die Ernennung des Kölner Doms zur Metropolitankirche im Jahr 1825 pochte einer der innigsten Fürsprecher, der Musikliebhaber und Richter Erich Verkenius (1776-1841), auf die Neubildung der Domkapelle, was ihm letztlich auch gelang. Als erster Kapellmeister wurde Carl Leibl (1784-1870) verpflichtet, der diese Stelle im Jahr 1826 antrat und bis ins Jahr 1862 innehatte. Leibl war aber nicht nur für die Domkapelle zuständig, sondern er avancierte zum Dreh- und Angelpunkt sämtlicher wichtiger musikalischer Zusammenschlüsse in Köln. Er war zudem federführend bei der im Jahr 1827 durchgeführten Gründung der „Cölner Concert-Gesellschaft“, welche aus einem Zusammenschluss der Mitglieder der „Musikalischen Gesellschaft“ und denen des „Singverein“ entstand. Die heute noch existierende Concert-Gesellschaft übernahm somit die Organisation der bedeutenden Winterkonzerte in Köln. Gleichzeitig gründete sie auch ihren eigenen Chor, den Gürzenich-Chor. Im Jahr 1857 gingen daraus die so genannten Konzerte im Gürzenich hervor.
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Inv. Nr. WRM 1159
Rheinisches Bildarchiv Nr. 109709
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05010685
Ölgemälde von Wilhelm Maria Hubertus Leibl „Des Künstlers Vater“
Carl Leibl fokussierte sein musikalisches Schaffen vor allem auf die Dommusik, weshalb im Jahr 1840 der Wunsch nach einem städtischen Kapellmeister aufflammte, der das Theaterorchester beleben sollte. Die ersten beiden städtischen Kapellmeister waren Conradin Kreutzer (1780-1849) und Heinrich Dorn (1804-1892). Letzterer hatte vor allem während der Revolutionszeit 1848/1849 mit Jacques Offenbach zu tun, als dieser in Köln weilte und ihn um Mitwirkung an den Konzerten des Städtischen Orchesters bat.
Kölnisches Stadtmuseum
Rheinisches Bildarchiv LL 00 457/18
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05151817
Stadt- und Landesbibliothek Frankfurt a. M., S 36/G00736
Elektronische Ressource: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:30:2-182334
Stich von August Weger
Auch der Kölner Straßenkarneval kehrte in den 1820er Jahren zurück. Mit der Gründung des „Festordnenden Komitees“ im Jahr 1823 konnte im selben Jahr der erste Karnevalsumzug nach dem Verbot durch die Franzosen organisiert werden. Wie der Offenbach-Biograph Anton Henseler hervorhebt, blühte mit dem Karneval auch das Hänneschen-Theater mit seinen Divertissementchen auf. Das Hänneschen-Theater war im Jahr 1802 vom Schneidergesellen Johann Christoph Winters gegründet worden und galt als „Stadttheater der Kinder und der armen Leute“.
Das Hänneschen-Theater gilt als ein Ort der Inspiration für den jungen Jakob Offenbach. Zwar konnten bisher keine Quellen ermittelt werden, die eindeutig belegen würden, dass Offenbach das „Hänneschen“ besucht hat. Seine Beziehungen zur Kölner Musikerszene – insbesondere zu seinem zweiten Cellolehrer Bernhard Breuer – machen dies jedoch sehr wahrscheinlich. Zudem wurden dort während seiner Kindheit Stoffe etwa zur Person Genoveva von Brabants oder zum Märchen „Blaubart“ verarbeitet, die Offenbach später auch für sein eigenes Musiktheater verwertete. Die zur Karnevalszeit im Hänneschen-Theater stattfindenden Divertissementchen nahmen darüber hinaus oft einen parodistischen Bezug auf den antiken Olymp.
Kölnisches Stadtmuseum, Inv.-Nr. HM 1914/142
Rheinisches Bildarchiv Nr. 101497
Elektronische Ressource: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05115690
Aquarell von Josef Passavanti, 1906
Das 1783 entstandene Stadttheater in der Schmierstraße wurde nach immer weiteren baulichen Mängeln letztlich im Jahr 1827 abgerissen und durch das 1829 fertiggestellte neue „Komödienhaus“ ersetzt. Neben diesem Stadttheater entwickelten sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch kleinere Bühnen, etwa das in der Schildergasse befindliche „Vaudeville-Theater“, das später unter den Namen „Thalia-Theater“ und „Wilhelm-Theater“ bekannt wurde. Weitere Kölner Theater waren das „Actien-Theater“ und das „Flora-Theater“. Diese kleineren Kölner Theater spielten für die Aufführungen der Stücke Offenbachs eine entscheidende Rolle. Schließlich wurden seine Werke zu seinen Lebzeiten fast ausschließlich in diesen Theatern gespielt.
Quelle: Wikipedia
Elektronische Ressource: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:K%C3%B6ln-Theater-Schmierstra%C3%9Fe-1829.jpg