Von Jakob zu Jacques
Heimweh nach Köln?!
Der Weggang aus Köln in das für Jakob Offenbach unbekannte Paris war sicherlich kein leichter Schritt für den jungen Cellovirtuosen. Zwar erhielt Jakob noch vor seinem Wegzug Unterricht in der französischen Sprache, in Paris verkehrte er jedoch zunächst mit anderen Kölnern, mit denen er sich eine Mansardenwohnung in der Rue des Martyrs teilte. Diese Mansardenwohnung war seit dem Einzug des Kölners Paul Lüttgens (1815-1877) im Jahr 1830 eine beliebte Anlaufstelle für viele Kölner Künstler und Musiker. So zogen zum einen die drei Brüder Paul Lüttgens – Hilarius, Balthasar und Heinrich – nacheinander dort ein. Zum anderen vermittelte der Vater der Lüttgen-Brüder, der Kölner Violinist und Musiklehrer Wilhelm Anton Lüttgen (1781-1857), auch anderen vielversprechenden Musiktalenten diese Wohnmöglichkeit. Durch die enge Freundschaft Anton Lüttgens mit Jakobs Vater Isaac Offenbach fand auch der nunmehr Jacques Genannte dort einen Platz, und zog zunächst mit Balthasar Lüttgen zusammen. Auch der Kölner Sänger und spätere Freund Offenbachs, Ernst Pasqué (1821-1892), zog im Jahr 1842 in dieselbe Wohnung ein. Zwar wohnte Jacques zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dort, dennoch stammen vor allem von Pasqué die eindrücklichsten Erinnerungen an diese erste Zeit Offenbachs in Paris („Aus Jacques Offenbach’s Lehrjahren“, 1880/1881). Zu Offenbachs erfolgreicher Laufbahn vom Cellovirtuosen zum Komponisten schrieb Pasqué:
„Mag man Offenbach heute einen Pariser par excellence nennen, er war und blieb doch im Grunde nur ein echtes ‚kölsches Köbesche‘, dem die tolle kölnische Lustigkeit schon als Knabe in Herz und Kopf gefahren war, die nur gelegene Zeit und des richtigen Anlasses bedurfte, um sich Luft zu machen und Geltung zu verschaffen. Und beides sollte Offenbach werden.“
Zunächst sollte es Offenbach, nachdem er in Paris angekommen war, jahrelang nicht nach Köln ziehen. Dabei schien seine Anfangszeit in Paris nicht zwangsläufig unter einem guten Stern zu stehen: Seine Studien am Pariser Konservatorium brach Jacques aus eigenem Antrieb bereits im Dezember des Jahres 1834 wieder ab. Ebenso legte er sein vermutlich von Vater Isaac vermitteltes Amt als Chorleiter der Pariser Synagoge Nôtre Dame de Nazareth nieder. Stattdessen versuchte er – zunächst ergebnislos – einen festen Platz in einem Theaterorchester zu finden. Nach Absagen beim Theater l’Ambigu-Comique und beim Théâtre-Francais ergatterte Jacques im Jahr 1835 eine Stelle als Violoncellist im Orchester der Opéra-Comique. Diese Stelle bekleidete er vermutlich bis ins Jahr 1838.
HAStK Best. 1136, A 934
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=47466578-3800-4092-BF49-3EF71E6861AB_000494419_Orig_n_kons1_20190201100901.xml
Reproduktion einer Zeichnung mit originaler Widmung: "Zur freundlichen Erinnerung, 24. II [18]39 F. von Flotow"
Einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte Offenbach in seinen ersten Pariser Jahren aber nicht als Cellist der Opéra Comique, sondern als Cellist seiner eigenen Walzerkompositionen, zu denen in den Pariser Salons gern getanzt wurde. Hinzu trat sein Hang für träumerische Instrumentalmusik und herzzerreißende Romanzen. Seine Musik, gekoppelt mit seiner zierlichen Gestalt, griff so gut ineinander, dass er sich rasch als gern gehörter Salonmusiker emporschwingen konnte. Ernst Pasqué beschreibt gar eine Szene, in der Offenbach während einer seiner üblichen Salonauftritte von seinem eigenen Violoncellospiel so überwältigt war, dass er in Ohnmacht gefallen sein soll. Den Weg in die Salons hat ihm vor allem ein Mann eröffnet: Der aus dem mecklenburgischen Adel stammende Pianist und Komponist Friedrich von Flotow (1812-1883). Mit Flotow, den Offenbach um 1838 in Paris kennen gelernt hatte, komponierte er eine ganze Reihe an heiteren Tanzstücken (Chants du soir) und verträumten Melodien (Rêveries), die in den Pariser Salons auf äußerst positive Resonanz stießen.
Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, FT 4-NA-235 (1)
Elektronische Ressource: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b53050775j
Fotografie von Nadar
Erst ab dem Jahr 1839 kehrte Offenbach in regelmäßigen Abständen in seine Heimatstadt Köln zurück. Über die Wiederkehr Offenbachs im Jahr 1839 berichtete der zu diesem Zeitpunkt vierjährige Kölner Albert Wolff (1835-1891), der später ebenfalls nach Paris gehen sollte und unter anderem als bedeutender Feuilletonist des „Figaro“ Karriere machte. Wolff verfasste eine vielbeachtete „Biographische Notiz“ über Offenbach, die dem Buch über die Amerikareise Jacques Offenbachs („Notes d’un Musicien en voyage“, 1877) vorangestellt und Offenbachs Frau, Herminie d’Alcain, gewidmet ist. Dort ist über Offenbachs Heimkehr 1839 zu lesen:
„Die ersten Erinnerungen, die ich an Jacques‘ Jugend habe, fällt mit dem ersten Besuch zusammen, den er von Paris aus seinen Eltern abstattete. Das war ein Ereignis für alle Freunde der Familie, wo seit langem von nichts anderem die Rede war als von Jacques, der, so hieß es, in Paris Millionen scheffelte durchs Cellospielen. […] Als ich bei einbrechendem Abend das Haus in der Glockengasse betrat, saß Jacques neben seinem Vater auf dem Sofa, während die Mutter für ihren angehimmelten Sohn das Abendessen bereitete. […] In diesem Augenblick gab es kein glücklicheres Haus als dieses. […] Ganz sicher war mir damals nicht klar, welchen Einfluss dieser Besuch auf meine Zukunft haben musste, aber ich glaube, dass von diesem Abend an mein wenn auch noch unbewusster Wunsch datiert, später wie der Offenbach-Sohn nach Paris zu gehen und wie er zu meiner Familie zurückzukommen und von allen verwöhnt zu werden […].“
Man darf Albert Wolffs Erinnerungen wohl Glauben schenken, dass es für die gesamte Familie Offenbach ein großes Ereignis war, Jacques (und auch seinen Bruder Julius/Jules!) nach so vielen Jahren wieder in Köln zu sehen. Und für Jacques dürfte es ein ebenso erfreuliches Ereignis gewesen sein. Schließlich zog es den Cellovirtuosen nicht nur wegen seiner musikalischen Intermezzi nach Köln (am 2. Mai 1839 spielte er zusammen mit Julius/Jules im Kölner Casinosaal), sondern primär wegen seiner Familie. So waren es vor allem traurige Anlässe im Jahr 1840, die Jacques und seinen Bruder erneut an den Rhein bewegten: Am 13. Februar starb ihr Bruder Michael, der ebenfalls Talent für das Violoncello gezeigt hatte, im Alter von gerademal 12 Jahren. Einige Monate später – im November 1840 – starb zudem ihre Mutter, Marianne Offenbach. Wenige Tage zuvor, am 10. November 1840, hatten Jacques und Jules noch ein Konzert im Casinosaal gegeben, in dem sie unter anderem das Duett „Introduction et Valse melancolique“ spielten.
HAStK Best. 1136, A 818
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=F9822E21-6EE3-458D-9499-B6E6975C78D6_000241041_Orig_n_kons1_20190322111256.xml
Fotografische Reproduktion des Dokumentes
Nachruf an meiner seligen Mutter
Du bist glücklich, dort oben,
Auf Erde littest du viel,
Den Schöpfer woll'n wir loben!
Ehrreicht ist ja Dein Ziel.
Du bist glücklich dort oben,
Denn Du hast oft beweint
Den Sohn, den Du verloren.
Mit ihm bist Du vereint. -
Vollbracht, vollbracht ist Deine Bahn. -
Was Gott thut, daß ist wohlgethan.
Von ihrem Sie nie vergessenden
Sohn Jacques Offenbach
Cöln den 17 No[vem] bre 1840
Andenken für meine guten Schwestern
Netta Falk & [?] - von Verfasser
Die Besuche Offenbachs in seiner Heimat Köln setzten sich in den 1840er Jahren weiter fort. Diese Besuche bezeugen, dass Offenbach nicht nur ein intaktes Verhältnis zu seiner Familie pflegte, sondern dass er auch weiterhin über ein musikalisches Netzwerk in Köln verfügte. Noch im Frühjahr 1840 erreichte ihn die Nachricht seines ehemaligen Kölner Cellolehrers Bernhard Breuer, dass der Mainzer Musikdirektor Adolf Ganz Offenbach eine Stelle als Violoncellist angeboten habe. Offenbach schien, wie aus einem überlieferten Antwortschreiben hervorgeht, dazu geneigt, diese Stelle anzunehmen. Offensichtlich kam es jedoch nie zur Anstellung.
HAStK Best. 1136, A 1565
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=ED7CB0E6-CB30-4DDA-9C4C-5A33E0A23C91_000488064_Orig_n_kons1_20190128110151.xml
Der Mainzer Musikdirektor Adolf Ganz bot Offenbach eine Violoncellostelle an, vermutlich im Mainzer Theaterorchester.
Sr. wohlgeboren
dem Herrn Musikdirektor Gans
in Mainz / Cöln 12 April 1840
Mein Freund Herr B. Breuer gab mir Ihren Brief zu
lesen mit der gleichzeitigen Anfrage, ob ich unter solchen
Bedingnissen die Violoncellstelle anzunehmen gesonnen sei.
Ich erwiederte ihm, daß ich zur Annahme derselben geneigt
bin, jedoch erst am 20. nämlich 4 Tage später von hier ab-
reisen könne. Kom[m]t es auf diese wenige Tage hier nicht an,
so stehet von meiner Seite weiter nichts im Wege, und bitte
Sie bei Ihrer Durchreise um das Vergnügen Ihres gefäl[ligen] Besuches,
Mit Achtung zeichnet Ihr Jacques Offenbach
Glockengaß N[ummer] 5
Belegt sind weitere Kölner Auftritte in den Jahren 1841 und 1843. Besondere Aufmerksamkeit erregten dabei seine Darbietungen im Sommer 1843. Nach einer Konzertankündigung in der Kölnischen Zeitung, in der Offenbach als „sehr berühmter Violoncellist“ bezeichnet wird, lieferte Offenbach am 26. August 1843 eine scheinbar so gute Vorstellung in Köln ab, dass das Konzert am 5. September noch einmal wiederholt wurde. Am 12. September 1843 spielte der „Liszt des Violoncellos“ – als der Jacques in Kennerkreisen galt – mit Franz Liszt persönlich ein Konzert in Köln. Auf diesen Konzerten wurde unter anderem Offenbachs komponiertes Instrumentalstück für Violoncello und Orchester „Hommage à Rossini“ dargeboten, dessen Originalpartitur zu großen Teilen im Historischen Archiv verwahrt wird.
HAStK Best. 1136, A 1530
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=B68FADBA-81D1-49CE-8E71-37F3CA18D235_000055481_Orig_n_kons1_20190328085111.xml
Unvollständige autographe Orchesterpartitur, Schluss fehlt 18 S.; 26,8 cm x 34,5 cm.
Die "Hommage à Rossini" gehörte zu Jacques Offenbachs meist gespielten Stücken in Köln. So spielte er es hier etwa in den Jahren 1843, 1848 und 1853.
Obwohl Jacques’ Aufenthalte in Köln in dieser Zeit oft nur von kurzer Dauer waren, hatte er mit seinem Vater Isaac sicherlich einen seiner wichtigsten Förderer in der Domstadt. Jedenfalls ließ Isaac Offenbach keine Gelegenheit aus, seinem immer bekannter werdenden Sprössling unter die Arme zu greifen. Als etwa die Kölner Presse den Auftritt seines Sohnes bei seinem Konzert mit Liszt im September 1843 nicht ausgiebig würdigte, machte Isaac seinem Unmut darüber in Form eines Inserates Luft, in dem er sich darüber beklagt, dass die Veranstalter eine vom Publikum vehement gewünschte Wiederholung von Offenbachs Stück „Prière et Boléro“ nicht zustimmten. Im Jahr 1846 wiederum bat er den bekannten Kölner Publizisten Jakob Venedey (1805-1871) darum, einen Artikel über Jacques in der Kölnischen Zeitung zu verfassen. An familiärer Unterstützung aus Köln mangelte es Offenbach nicht. Allerdings verkleinerte sich der in Köln ansässige Familienkreis sowohl durch einen weiteren Todesfall (1842 starb Offenbachs Schwester Therese), als auch durch Heiraten und damit einhergehende Auswanderungen seiner Schwestern Isabella, Henrietta und Julie, die allesamt in die USA zogen.
HAStK Best. 1136, A 1444
Elektronische Resoource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=18C154B9-971A-4FD7-8D48-E635F9C4FCB4_546933.0_Orig_n_kons1_20190606103251.xml
Isaac Offenbach ließ keine Gelegenheit aus, seinen Söhnen beruflich unter die Arme zu greifen. In dem hier gezeigten Brief wendet er sich an den Journalisten Jakob Venedey, in der Hoffnung, dieser schreibe einen Artikel über Jacques in der Kölnischen Zeitung. Auch wenn Isaac regelmäßig mit großen Geldsorgen zu kämpfen hatte, ist er in seinem Brief dennoch bereit, Venedey für seinen Artikel zu entlohnen.
Herrn Dr. Venedey in Paris / Cöln 28 Feb[ruar] 1846
Ihr ehemaliger Musiklehrer, dessen Sie sich wahr-
scheinlich noch erinnern werden, bittet Sie um
eine Gefälligkeit. Ich habe nämlich zwei
Söhne, Jules und Jacques Offenbach in Paris.
Letzterer hat sich als Violoncell-Virtuose sowie
als Componist einen bedeutenden Rufthon er-
worben. Französische und englische Blätter spre-
chen viel Lobendes über ihn, selten aber geht
etwas davon in deutschen Zeitungen, und am Wenig-
sten in die hiesigen über. Daß günstige Mit-
theilungen – vorausgesetzt wenn sie auf Wahrheit
beruhen - schmeichelhaft für den Vater, zugleich
aber auch auf die Zukunft des betreffenden Sohnes
vortheilhaft einwirken, bedarf wohl keiner beson-
deren Erwähnung. – Da ich weis daß Sie öfters Auf-
sätze für die Kölnische Zeitung schreiben, so bitte ich
Sie um die Gefälligkeit etwas über ihn zu schreiben
und dem Herrn Du Mont Schauberg gütigst zur Auf-
nahme in seiner Zeitung zu spielen. Was Sie schreiben
wollen, bleibt Ihrem Gutdünken überlassen, und be-
merke ich schließlich, daß wenn Sie Honorar wünschen
ich mit Freude und herzlichem Dank solchen zu entrichten
bereit bin. Wollen Sie meinem Sohn, welcher von diesem
Schreiben nicht weis, indem ich es von Herrn Hess von
hier absende, einen Besuch machen, so wird es ihm
eine Freude sein, in Ihnen einen würdigen Lands-
mann kennen zu lernen. Wie ich vernom[m]en habe,
wird recht bald eine neue Oper von ihm in Paris gegeben.
Seine Adresse ist: Jacques Offenbach, Cité Trévise No 8.
Ihren Herrn Vater, meinen alten Freund, habe ich am 26.
besucht, ich traf ihn beim Mittagsmahl, und es hat ihm vor-
trefflich geschmeckt. – Mit Hochachtung zeichnet
I. Offenbach
HAStK Best. 1136, A 858
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=B68FADBA-81D1-49CE-8E71-37F3CA18D235_000241019_Orig_n_kons1_20190328085112.xml
Reproduktion einer Lithographie, Lithograph n. b.
Das Bild stammt vom Titelblatt von Offenbachs Romanze "À toi".
Sein Liebesglück fand Offenbach in Herminie d’Alcain, der Tochter eines spanischen Generals. Offenbach lernte Herminie 1841 in England kennen und verliebte sich prompt in sie. Als ersten Liebesbeweis widmete er ihr noch im gleichen Jahr einen Walzer. Im Jahr 1843 schrieb er eine Romanze mit dem Titel „À toi“. Auf der später erschienenen Druckversion dieser Romanze ist Herminie abgebildet. Durch seine musikalischen Aufwartungen konnte Offenbach zwar Herminies Herz erobern, ihre Eltern erlaubten die Heirat der beiden aber nur unter einer Bedingung: Offenbach musste zum katholischen Glauben übertreten. So ließ er sich am 8. August 1844 taufen. Am 14. August läuteten schließlich die Hochzeitsglocken.
Offenbach und die Kölner Revolutionszeit 1848/1849
Im Zuge der in Frankreich ausgebrochenen Februarrevolution des Jahres 1848, die zur Abdankung des „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe und zur Ausrufung der Zweiten Französischen Republik geführt hatte, fühlte sich Offenbach dazu gezwungen Paris im März des Jahres 1848 zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die revolutionären Umsturzversuche auch den Deutschen Bund erreicht (Märzrevolution). In Köln kam es wie in vielen anderen deutschen Städten zu Unruhen und Aufständen. Forderungen nach Verfassungsreformen wurden laut und gipfelten in Köln bereits am 3. März im so genannten „Kölner Fenstersturz“: Zwei Kölner Ratsherren sprangen aus einem Fenster des Rathauses, nachdem sie sich von einer aufgebrachten Menschenmenge bedroht gesehen hatten. Zur Rückkehr Offenbachs nach Köln schrieb Ernst Pasqué:
„Die Revolution von 1848 vertrieb Offenbach von Paris und er wandte sich mit seiner jungen Frau der Vaterstadt zu, wo er sodann zwei Jahre lang ununterbrochen weilte. Dieser Aufenthalt muss entscheidend für ihn gewesen sein, er muss die so folgenreiche Wandlung in ihm bewirkt haben. Offenbach langte an mit großen Konzertpiècen und Projekten, sogar mit einer dreiaktigen Oper ‚La Duchesse d’Alba‘, woran er fleißig komponierte. Er hatte Köln mit vierzehn Jahren verlassen und dem heiteren Leben, besonders der zur Karnevalszeit, persönlich fernbleiben müssen; er konnte es vermöge seiner Jugend nur auf sich einwirken lassen, ohne direkt Theil daran zu nehmen. Nun aber durfte er sich in den tollen kölnischen Karnevalstrubel stürzen und er that es auch. Er fühlte sich wieder als Kölner und freute sich der fröhlichen Zeit wie seine anderen Landsleute. Zugleich lernte er die lustigen theatralischen Produkte des kölnischen Humors kennen, die einzig in ihrer Art waren und es noch immer sind, die komischen Karnevalsopern von Kipper und J(ohannes) M(aria) F(arina).“
HAStK Best. 1136, A 820
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=F9822E21-6EE3-458D-9499-B6E6975C78D6_000241041_Orig_n_kons1_20190322111256.xml
Reproduktion einer Zeichnung von Herbert Raunheim
Auch wenn Pasqué in manchen Punkten ungenau ist und die Rückkehr Offenbachs nach Köln übertrieben darstellt, so lassen sich doch in seiner Aussage viele Andeutungen finden, die einem wahren Kern entspringen mögen.
Richtiger ist allerdings, dass Offenbach nicht „zwei Jahre ununterbrochen“ in Köln weilte, sondern lediglich 11 Monate, und zwar von März 1848 bis Februar 1849. Außerdem vermittelt Pasqué den Eindruck, als habe Offenbach in seiner Kindheit kaum etwas von der kölnischen Musik-, Theater- und Karnevalskultur mitbekommen. In Anbetracht dessen, dass Jacques zusammen mit seinen Geschwistern Julius und Isabella bereits in jungen Jahren durch zahlreiche Kölner Salons tourte und in enger Beziehung zur neu aufflammenden Kölner Musikerszene stand, ist wahrscheinlich, dass er sehr wohl mit dieser vertraut war.
HAStK Best. 1136, A 1561
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=ED7CB0E6-CB30-4DDA-9C4C-5A33E0A23C91_000488071_Orig_n_kons1_20190128110151.xml
Vollständige autographe Partitur des Liedes „Das Vaterland“ nach einem Text von Hermann Hersch; 1. Strophe mit Singstimme und Klavierbegleitung, 2. und 3. Strophe nur Singstimme.
Seite 1
Das Vaterland
Gedichtet von H. Hersch in Musik gesetzt von Jacques Offenbach / Cologne le 8 Mai 1848
Du Herz was soll dein schlagen / ich kann es gar nicht sagen / wie's durch die Seele zieht / mit lust'gen Sangesweisen / mein Vaterland zu preisen / es hebt sich mein Gemüth / und in der Schöpfung weites Haus / ruf ich es freudetrunken aus / Du liebes Land / Du schönes Land / Du großes Deutsches Vaterland
Seite 2
Die deutschen Mädchen trügen / Mit keinen welschen Lügen / Und mit Verstellung nicht / man darf doch lieb vertrauen / auf seine Treue bauen / Wen es von Liebe spricht / Und wenn sich eine treulose (?) Hand / war sie nicht aus dem deutschen Land / Du (Wiederholung) / Wer fühlt sich nicht getrieben / Dich Vaterland zu lieben / Dich Deutsches Vaterland? / Wer möchte nicht sein Leben / sein Blut sein Alles geben / Für Dich mein Vaterland / Ich lebe Dir mein Vaterland / Ich sterbe Dir mein Vaterland / Du (Wiederholung)
Wahr ist aber auch, dass Jacques – der sich während dieses Köln-Aufenthalts wieder Jakob nannte – nie wieder so lange in Köln aufhielt, wie zur Revolutionszeit. Und aus keiner anderen Zeit sind mehr deutschsprachige Lieder des Kölner Komponisten überliefert. So widmete er etwa der am 20. März 1848 gegründeten Kölner Bürgerwehr das sogenannte „Bürgerwehrlied“ (April/Mai 1848). Weitere deutsch-nationale Kompositionen finden sich in den Liedern „Das Reiterlied“ (24. April 1848) und „Das Vaterland“ (8. Mai 1848). Das Liedchen „Das Vaterland“ übernahm Offenbach im Übrigen auch in seine 1864 in Wien uraufgeführte Oper „Die Rheinnixen“.
HAStK Best. 1136, A 1465
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=47466578-3800-4092-BF49-3EF71E6861AB_000055595_Orig_n_kons1_20190201100900.xml
Vollständige autographe Tenorstimme des „Bürgerwehrliedes“ nach einem Text von C.O. Sternau; auf Notenpapier von Michael Schloß.
Gott grüß dich Bürgercamerad / Gott grüß dich auf der Wache / Gott grüß dich
auf der Wache / du bist auf rechtem rechtem Pfad / für eine heil'ge Sache / für eine
heil'ge Sache / der Mann ist falsch / der Mann ist schlecht der Ordnung achtet
nicht und brecht (?) / doch wer sie schützt und wer sie ehrt ist des deutschen Mannes
werth / der ist des deutschen Mannes werth / Gott grüß dich Camerad / Gott grüß dich
Camerad / Gott grüß dich Camerad / Gott grüß dich Camerad / Gott grüß dich Cam-
rad / Gott grüß dich Camerad / Gott grüß dich Camerad / Gott grüß dich Camerad
HAStK Best. 1136, A 1599
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=47466578-3800-4092-BF49-3EF71E6861AB_000273619_Orig_n_kons1_20190201100900.xml
Autographe Partitur mit Singstimme und Text, Melodie vollständig, Klavierbegleitung nur für die erste Zeile ausgeführt. 9 Notenzeilen, Überschrift, Datum und eigenhändige Unterschrift "J. Offenbach / Cöln den 24ten avril 1848". 1 Bl. Großfolio (laminiert), 34,2 cm x 26,5 cm.
Reiterlied / J. Offenbach
den 24 ten avril 1848
Was reitet von Gasse zu Gasse so schnell / hinsausend, ein stürmisches
Wetter? Was klinget so lustig, was klinget so hell des Hornes weihallend Geschmetter? Zum
Kampfe, zum Kampfe, wohl bin ich dabei / Nun werden wir trennen wir
trennen uns müssen, Süßliebchen, Süßliebchen, mein Polen wird frei / Nun
laß noch einmal dich küssen / Süßliebchen Süßliebchen mein Polen wird
frei / Nun laß noch einmal dich küssen
Ob sich Jakob aus diesem Grund wieder mehr als Kölner denn Pariser sah, ist indes nur schwer zu beurteilen. Schließlich musste Offenbach Ende der 1840er Jahre noch viel stärker um die finanzielle Absicherung seiner Familie kämpfen. Der Durchbruch als Bühneninszenator gelang ihm erst im Jahr 1855 mit der Eröffnung seines eigenen Theaters, dem Bouffes-Parisiens, sowie seinem ersten großen Welterfolg „Orpheus in der Unterwelt“ (1858). Im Übrigen wurde die Oper „La Duchesse d’Alba“, die Pasqué erwähnt, nie aufgeführt, weder in Köln noch anderswo. Teile der handgeschriebenen Partitur dieser Oper befinden sich im Besitz des Historischen Archivs.
Offenbach nutzte seinen längeren Köln-Aufenthalt auch für einige kleinere Konzerte im Kölner Casinosaal (Juni/Juli 1848), die jedoch von der Presse keine Beachtung fanden. Anders verhielt sich die Resonanz bei Offenbachs Auftritten zur 600-Jahr-Feier der Grundsteinlegung des Kölner Domes (14.-16. August), an der auch seine Jugendfreundin, die Sängerin Sophie Schloß, und der 1842 gegründete Kölner-Männer-Gesang-Verein (KMGV) teilnahmen. Der KMGV sang Offenbach ein paar Tage später gar ein Ständchen zum Dank.
Das Zusammenspiel mit Sophie Schloß und dem KMGV war für Offenbach scheinbar so gut verlaufen, dass er beide darum bat, auch an seinem letzten Kölner Konzert am 9. Januar 1849, kurz vor seiner Rückreise nach Paris, mit ihm zusammen aufzutreten. In einem Brief an den KMGV vom 23. Dezember 1848 schrieb er:
„Einen wohllöblichen Männergesang-Verein ersuche ich hierdurch ergebenst, mich in meinem Abschiedskonzert […] durch einige vorzutragende Gesangstücke gütigst unterstützen zu wollen.“
HAStK Best. 1336, A 5
Sehr geehrter Herr!
Sie hatten die Freundlichkeit den Männerges[ang] Verein bei
der am 14. d[ieses] M[onats] gelegentlich der Dombau-Festlichkeiten
gegebenen Musik[alischen] Morg[en] Unterhaltung durch Ihr schönes Talent
zu unterstützen. Der Dank der Ihnen dafür
seitens des Vereins hiermit auf das herzlichste darge-
bracht wird mag nur ein schwacher Ausdruck seiner
Erkenntlichkeit gegen Sie sein u[nd] möge es Ihnen
eine höhere Genugthuung gewähren, daß S[eine] Er[lauchte] Hoheit d[er]
Reichsv[erweser] Erzherzog Johann sowie anwesende hohe Gäste über Ihre herrliche
Leistungen entzückt waren.
Genehmigen Sie geehrtest[er] Herr unter Wiederholung des innigsten Dankes danach besonders die Versicherung der ungetheiltest[en]
Hochachtung des Männer-Gesang-Vereins
Die Direktion
Herrn J. Offenbach
Tonkünstler
aus Paris
dermale in Cöln
Jacques hatte es wieder einmal geschafft, seine in Köln vorhandenen Beziehungen so spielen zu lassen, dass seine Kompositionen in Köln zur Aufführung kamen. Ihm halfen dabei nicht nur der Kölner Männergesangverein und seine Jugendfreundin Sophie Schloß, sondern auch der damalige Kölner Musikdirektor Heinrich Dorn. Dorn schrieb dazu in seinen 1871 veröffentlichten Erinnerungen:
„Im Herbst 1848 erschien bei mir der französirte Köll´sche Jung´ und verlangte Einlaß zu unserem Concertprogramm. Seine Virtuosität auf der Kniegeige war unterdeß allgemein bekannt geworden, und er spielte am 24. Oktober das von ihm componirte Militärconcert und darauf am 14. November (zur Feier meines Geburtstages) „Adagio und Rondo“, gleichfalls eigener Factur, beide mal mit großem und verdientem Beifall.“
Trotz der Würdigung seiner Auftritte beim Dombaufest und Heinrich Dorns Lobeshymnen führte die anhaltende Nichtbeachtung Offenbachs durch die Kölner Presse zu einem angespannten Verhältnis zwischen dem Komponisten und seiner Heimatstadt. Nachhaltig traf Offenbach vor allem die kaum beachtete Aufführung seines ersten in Köln aufgeführten Bühnenstücks. Denn mit der Komischen Oper „Marielle, oder Sergeant und Commandant“, die am 9. Januar 1849 im Anschluß an sein Konzert mit dem Kölner Männergesangverein und Sophie Schloß Premiere feierte, erlebten die Kölnerinnen und Kölner zum ersten Mal einen anderen Jakob Offenbach, nicht den Cellovirtuosen, sondern den Bühneninszenator. Dabei hatte Offenbach viel Mühe investiert, diese Oper, die eine Neuverwertung seines 1847 in Paris aufgeführten Einakters „L´Alcôve“ war, überhaupt in Köln aufführen zu können. Schließlich hatte es im Vorfeld seiner Vorbereitungen Regressansprüche aus Frankreich gegeben, die Offenbach jedoch abwenden konnte. Lediglich der Schriftsteller Karl Cramer, auch bekannt unter seinem Pseudonym „Karl vom Rhein“, schrieb in seiner selbst herausgegebenen Zeitschrift „Der Wächter am Rhein“ eine Kritik zur Aufführung der „Marielle“, in der Offenbachs Leistung durchaus gewürdigt wird:
„Wir wünschen dem Componisten Glück zu den Fähigkeiten, die er entfaltet hat […], empfehlen ihm aber, dieselben bald an einem besseren Stoffe weiter zu entfalten […]. Obgleich die Vorstellung nicht überall klappte, […], so hatte man doch im Allgemeinen Fleiß auf den Erstlingsversuch verwendet, was leider von den Schauspielern und Sängern in ähnlichen Fällen meist nicht geschieht und darum doppelt anerkannt werden muss.“
HAStK Best. 1136, A 171 (Beilage)
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=FA244817-1696-4727-943B-FC007F7B3CAE_000240843_Orig_n_kons1_20190117132214.xml
HAStK Best. 1136, A 1757
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=26378AC8-4E87-4401-8736-5AC8AACEBA8F_000571484_Orig_n_kons1_20190529143028.xml
Autographe Fragmente und Teile der Orchesterpartitur zu "Marielle", hier Teil a: Arie des Grafen Anatole, 34,5 x 26,8 cm.
Offenbach schrieb seine am 24. April 1847 in Paris uraufgeführte komische Oper "L'Alcove" für das deutsche Publikum um. Zu erkennen ist diese Neuverwertung an den Anweisungen, die Offenbach auf das Notenblatt schrieb, etwa "gut, bleibt in G", wie auf Seite 1 zu sehen ist. Ein weiterer Hinweis darauf besteht in der Umschreibung des französischen Librettos ins Deutsche.
Viel Trost fand Jakob in dieser Kritik aber nicht. Noch Jahre nach der Kölner Aufführung der „Marielle“ machte Offenbach seiner Unzufriedenheit über die schauspielerische Darbietung Luft. So schrieb er in einem Brief vom 20. April 1853 an seine Schwester Ranetta, in dem er sein Jahreskonzert und gleichzeitig die Aufführung seines Einakters „Le Trésor à Mathurin“ ankündigt:
„Mein Concert findet dieses Jahr erst den 6ten Mai statt, ich bin forciert gewesen, es zu verschieben, da man eine einaktige Oper darin aufführen wird. Und hier in Paris geht es nicht wie in Cöln, wo die Sänger sich hinstellen, etwas auswendig vorzutragen, was sie inwendig nicht einmal wissen, wie dies der Fall war bei ‚Marielle'“.
Seite 1
Liebe, dicke, unangenehme Schwester!
Warum schreibst Du uns nicht?
Weißt Du nicht, wie Dein junger
Bruder so faul ist mit
schreiben, weis Du nicht, böse
Schwester, wie beschäftigt
ich im Augenblick bin – enfin,
ich verzeihe Dir, sous la
condition, daß Du uns recht
bald einen großen, schönen,
Brief uns schicken wird.
Mein Concert findet dieses
Jahr erst den 6ten Mai statt
Ich bin forcirt gewesen, es
Seite 2
zu verschieben, da man eine
einaktige Oper darin aufführen
wird – und hier in Paris geht
es nicht wie in Cöln, wo die
Sänger, sich hinstellen etwas
auswendig vorzutragen, was sie
inwendig nicht einmahl wissen,
wie dies der Fall war mit
Marielle – ich hoffe das mein
Operchen sehr gefallen wird –
dieses wäre sehr gut für mich,
den da es die Sänger aus der
Komischen Oper mein Stück spielen,
so würden sie es gleich in ihren
Pforten aufführen.
Meine Kinderchen waren sehr
unwohl gewesen, sind aber
Gott sei Dank wieder hergestellt.
Ich selbst war 8 Tage lang im
Seite 3
Bette gelegen. Ich hoffe diesen
Sommer nach Köln zu zu gehen. Ich
kann die Tagen nicht ganz
bestimmen. Das hängt von meinem
Theater ab. Übrigens brauchst
Du Dich gar nicht zu geniren
mit Deiner Wohnung, denn wen
Ihr auch im Bauen wäret, so
werden wir, oder ich (wenn ich,
was ich nicht glaube alleine sollte
kommen) im Hotel logiren.
Wir sind häufig mit Frau Joest
zusam[men], ebenfalls mit Oppenheim-
Engels, ist auch hier gewesen
und hat uns gestern eine lange
visite gemacht.
Ich schließe diesen langen Brief
mit der Hoffnung, auf einer
baldigen Antwort, küsse deinen
lieben Moses, Deine Ditzcher (Isabella
miteinverstanden). Grüße alle Freunde,
Hermann, Röschen, Julchen, 1000 amité
Dein Dich liebender Bruder
Ja. Offenbach
Im Februar des Jahres 1849 reiste er zurück nach Paris. Zum Ende seines Köln-Aufenthaltes komponierte er noch das Lied „Du Röslein Purpurroth“, das er seiner Freundin Sophie Schloß widmete.
HAStK Best. 1136, A 1467
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=FA244817-1696-4727-943B-FC007F7B3CAE_001102982_Orig_n_kons1_20190117132214.xml
Vollständige, autographe Partitur des Liedes „Du Röslein purpurroth“ nach einem Text von Hermann Hersch; Gesang mit Klavierbegleitung.
Du Röslein purpurroth / Gedichtet von Hersch
Ein Röslein steht am Wege / Ein Röslein purpur-
roth / Das Röslein will ich pflücken / Und an das Herze drücken / Du Röslein purpurroth / Du
Röslein purpurroth / Du Röslein purpurroth
Mahnst mich aus holde Liebchen / Du Röslein purpurroth / so fromm so zart so sinnig / drum
lieb ich dich herzinnig / Du Röslein purpurroth / Du Röslein purpurroth / Du Röslein purpurroth
Cöln den 22 Januar 49 / Componiert für Fräulein Sophie Schloß. Zur freundlichen Erinnerung von Ihrem liebenswürdigen / J. Offenbach
Der langsame Abschied von Köln
HAStK Best. 1136, A 156
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=E72B1CB6-CA0B-4128-8BE6-DF47B603B2F3_000240828_Orig_n_kons1_20181130110137.xml
Original-Pastellzeichnung, Künstler n.b.
Mit der Eröffnung seines eigenen Theaters im Jahr 1855, dem „Théâtre des Bouffes-Parisiens“, erhob sich Offenbach endgültig zum weltbekannten Komponisten und „Meister des Vergnügens“.
Die zu Lebzeiten Offenbachs als „Opéras bouffes“ bekannt gewordenen gesellschaftskritischen, oft satirisch-parodistischen Operetten begeisterten das französische wie auch das internationale Publikum gleichermaßen. Am „Bouffes-Parisiens“, das Offenbach von seiner Gründung bis 1862 als Direktor leitete, erlebten die heute noch weltweit gespielten Stücke wie „Die Zaubergeige“ (1855) und natürlich „Orpheus in der Unterwelt“ (1858) ihre Uraufführungen.
HAStK Best. 1136, A 1751
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=26378AC8-4E87-4401-8736-5AC8AACEBA8F_000571484_Orig_n_kons1_20190529143028.xml
Unvollständige autographe Partitur, Studie zu Nr. 19 "Quand j'étais roi du Béotie", Singstimme vollständig; Klavierstimme nur angedeutet; Partitur für großes Orchester eingerichtet, jedoch nicht ausgeführt, 7 Takte Klavierskizze auf S. 4 3 S.; 27 cm x 35 cm.
Nach Köln zog es Offenbach hingegen nur noch selten. Am 26. April 1850 starb sein Vater Isaac, er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Deutz begraben. Damit verlor Jacques nach seiner Mutter einen weiteren wichtigen Bezugspunkt zu seiner Heimatstadt. Familiär betrachtet, blieb vor allem seine „Lieblingsschwester“ Ranetta ein gewichtiger Grund, Köln aufzusuchen. Ranetta hatte bereits im Jahr 1836 den Kölner Moses Falk geheiratet und betrieb mit ihm zusammen ein Kurzwarengeschäft in der Schildergasse 23. Dort konnten Interessierte häufig auch Eintrittskarten kaufen, wenn Jacques in Köln Konzerte gab.
HAStK Best. 1136, A 1527
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=366F5BE5-BA80-4004-A0EF-A5BC929A436C_000056872_Orig_n_kons1_20190529110444.xml
Ein typischer Brief Jacques Offenbachs an seine Schwester Ranetta in Köln, in dem sich Ernst und Humor mischen: Vater Isaac war vor kurzem verstorben und Jacques bittet Ranetta um ein Portrait des Verstorbenen, vermutlich, um es für sich kopieren zu lassen. Jedenfalls erwähnt Albert Wolff in seiner „Biographischen Notiz“ ein Bild Isaacs, das bei Jacques über dem Klavier hing. Die neckisch gemeinte Ohrfeige am Ende des Briefes gilt wohl Moses, Ranettas Mann. Der Brief zeugt von Offenbachs höchst intakter Familienbeziehung.
Liebe Netta,
ich erwarte sobaldwie möglich das
Portrait unseren lieben seeligen Vaters,
ich habe es höchstens 8 Tage nöthig,
dann werde ich es mit der besten
Gelegenheit es euch wieder schicken,
laßt eine kleine hölzerne Schachtel
drum machen.
Für jetzt weis ich mich nichts
wichtiges mehr zu schreiben.
Tausend Küsse an deine lieben
herrliche Kinder, ebenfalls an
mein zahrtes Röß'chen, und eine
Ohrfeige an dicke Mausche.
Dein dich liebender Bruder
Jacques Offenbach
Konzerte Offenbachs in Köln blieben jedoch nach 1849 ebenfalls eine Seltenheit. Nachdem Offenbach den Sommer des Jahres 1853 ohne Frau und Kinder bei Ranetta in Köln verbracht hatte, gab er im Dezember 1853 zusammen mit dem Kölner Männergesangverein ein Weihnachtskonzert im Casinosaal. Gleichzeitig dienten seine Besuche in diesem Jahr freilich der Pflege familiärer und freundschaftlicher Beziehungen. Als guter Freund in Köln erwies sich besonders Michael Schloß, der um die Jahre 1843/44 damit begonnen hatte, einen eigenen Musikverlag aufzubauen. Er verlegte zahlreiche deutsche Kompositionen Offenbachs, so etwa das Lied „Bleib bei mir“ oder „Was fliesset auf dem Felde“. Gerade in den frühen 1850er Jahren, in denen Offenbach noch nicht den Durchbruch im Musiktheater erzielt hatte, bildeten die bei Schloß verlegten Lieder eine wichtige Einnahmequelle.
Bibliothèque nationale de France, 4-ICOPER-20039
Elektronische Ressource: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8436366j
Lithographie von Alexandre Laemlein
HAStK Best. 1136, A 219
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=E72B1CB6-CA0B-4128-8BE6-DF47B603B2F3_000240891_Orig_n_kons1_20181130110137.xml
Jacques Offenbach bittet seinen Kölner Freund und Verleger Michael Schloß um die Zusendung seiner (sehr erfolgreichen) deutschen Lieder. Diese Anfrage Offenbachs ist sicherlich in Hinblick auf den Deutsch-Dänischen Krieges des Jahres 1864 zu sehen.
Offenbach schreibt aus Bad Ems, wo er sich ab den 1860er Jahren häufig aufhielt. Zum einen konnte er hier den Strapazen des Pariser Künstleralltags durch Kuraufenthalte entgegenwirken. Auf der anderen Seite konnte er hier einer seiner anderen Leidenschaften frönen: Dem Glücksspiel.
Ems – 2 Juillet 64
Stadt Wisbaden
Lieber Michael,
schicke mir par retour de courrier
mein Lied bleib bei mir (un plut
exemplaire) ebenfalls ein Exemplar von meinen
anderen Liedern die du im Verlag
hast.
Ich bin gegenwärtig in Ems
wirst du nicht mal rüber
kommen – es wäre mir sehr angenehm
dich mal wieder zu sehen.
Adieu, cher ami, compliment bien
affectueuse á ton
Jacques Offenbach
Trotz dieser familiären und freundschaftlichen Verbundenheit sollte sich Jacques Offenbach fortan häufiger negativ über Deutschland im Allgemeinen und Köln im Speziellen äußern. So bat er nach dem Erfolg seines „Orpheus“ im Juli 1860 seinen Berliner Verleger Gustav Bock, das Stück nicht nach Köln zu geben. Schließlich hätten die Kölner, so Offenbach, nichts übrig für Landsleute (Kompatrioten), denen Erfolg beschieden war. Pikant an dieser Aussage ist, dass Offenbach zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar kein deutscher Landsmann mehr war. Im Januar 1860 wurde er offiziell französischer Staatsbürger. Viel lieber als nach Köln ging Offenbach in den 1860er und 1870er Jahren nach Wien, Bad Ems oder auch Berlin. In Bad Ems und in Wien schafften es mehrere seiner Kompositionen zur Uraufführung. In Köln gelang dies nur seiner Komischen Oper „Marielle“. Und danach sollte es immerhin 12 Jahre dauern, bis mit „Orpheus in der Unterwelt“ am 10. Februar 1861 das nächste Werk Offenbachs hier aufgeführt wurde. Immerhin war dieses Stück trotz Offenbachs Bedenken, es überhaupt in Köln aufführen zu lassen, ein genauso durchschlagender Erfolg wie andernorts auch.
Durch seine offen gezeigte Zuneigung für Frankreich, die etwa in seiner berühmten Operette „Pariser Leben“ (1866) durchscheint, geriet Offenbach nach dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 zwischen die Fronten: Fortan galt er in deutschen Kreisen als „Vaterlandsverräter“, von französischer Seite wurde er als „Spion Bismarcks“ gebrandmarkt. Der als eher unpolitisch einzuschätzende Operettenkönig durchlief die für ihn schlimmste Phase seines Lebens. Im März 1871 schrieb Offenbach in diesem Sinne an seinen Librettisten Charles Nuitter (1828-1899):
„Ich hoffe, dass diesem Wilhelm Krupp und seinem schrecklichen Bismarck alles dies teuer zu stehen kommen wird. Ah, welch schreckliche Menschen sind doch die Preußen, und wie niederschmetternd ist für mich der Gedanke, dass ich an den Ufern des Rheines geboren bin und durch irgendein Bande mit diesen schrecklichen Wilden verbunden bin. Ah, mein armes Frankreich, wie danke ich dir, dass du mich unter deine Kinder aufgenommen hast! […].“
Daher zog es Offenbach in den 1870er Jahren in andere Gefilde. Er unternahm Konzertreisen ins Vereinigte Königreich und in die USA, wo er jedoch nur bedingt an die alten Erfolge seiner Pariser Blütezeit anknüpfen konnte.
HAStK Best. 1051, A 1, Nr. 357
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=11585238-7B7D-48F0-BAB6-A6E46680555E_000356224_Orig_n_rest_20170428081425.xml
Offenbach schrieb dazu: "Choral d'Orpheus de Bach-orchestré par Bethoven transcrit pour Piano par Jacques Offenbach / Cologne 9 9bre 66"
Seine Heimatstadt Köln sollte Offenbach dennoch auch zum Ende seines Lebens nie vergessen. So ist von Offenbach eine Anekdote überliefert, die er wohl im Jahr 1872 zum ersten Mal veröffentlichte, und die sich um seine ersten musikalischen Erinnerungen überhaupt dreht: Offenbach war Zeit seines Lebens auf der Suche nach einer bestimmten Walzermelodie, die er von seiner Mutter und seinen Schwestern zum Einschlafen vorgesummt bekommen hatte. Er kannte dabei zunächst nur die ersten 8 Takte. Den Namen des Interpreten, Rudolf Zimmer, erfuhr er wohl im Jahr 1843 nach einem Gespräch mit seinem Vater bei einem Besuch in Köln. Später lernte Offenbach nach eigenen Erzählungen den Komponisten Zimmer sogar durch einen Zufall im Jahr 1870 kennen. Wehmütig erinnert sich Offenbach an diese Melodie und seine damit verbundene Kindheit in Köln (nach Henseler, S. 5):
„Diese acht Takte verfolgten mich wie ein unbarmherziger Gläubiger, der mich an all die schönen Erinnerungen meiner Kindheit gemahnt. […] Waren nicht mit jeder Note tausend liebliche Erinnerungen verknüpft? Diese acht Takte waren eine Welt für sich. Wenn sie mir in den Sinn kamen, dann sah ich mein väterliches Haus, ich hörte die Stimmen der Lieben daheim, nach denen ich mich sehnte. In einem Alter, in dem andere vorgeschrittene Kinder in die fünfte Klasse kommen, ganz allein nach Paris verschlagen, wo ich als Cellist der Komischen Oper mein Brot verdiente, lebte ich zwar sorglos der Zukunft entgegen, aber ich sehnte mich doch nach der Vergangenheit zurück. […] Wenn man altert, vergißt man entweder alles, oder man erinnert sich mit einer merkwürdigen Klarheit der Dekorationen und Personen der lustigen Komödie der Jugendzeit. Ich gehöre zu denen, die sich erinnern und bin froh darüber […]“
Auch der Freund und Weggefährte Offenbachs, Albert Wolff, glaubt daran, dass Jacques in Gedanken stets bei seiner in Köln lebenden Familie war, und nicht ohne Emotionen an seine Kölner Zeit zurückdenken konnte:
„Das alte Haus in der Glockengasse existiert heute nicht mehr […]. Auf dem Gelände, wo es einstmals stand, erhebt sich heute ein glänzendes Monument. Der blonde Jacques und das Häuschen der Offenbachs haben das gleiche Schicksal: Sie sind mit den Jahren gewachsen. Das Cello, das Jacques die ersten Erfolge beschert hat, wurde zur gleichen Zeit beiseite gestellt, als man das väterliche Haus abriss. […]. Hier und da mischt sich unter dieses ausgesprochene pariserische Talent eine traurige Erinnerung an das alte Haus in Köln; ich glaube nicht, dass Jacques das bescheidene Porträt seines Vaters, das über dem Klavier hängt, betrachten kann, ohne das sein Herz von seinen Erinnerungen bewegt wird.“
Das letzte Mal in Köln war Offenbach im Spätsommer des Jahres 1879, als er mit seiner Frau Herminie und seinen beiden jüngsten Töchtern Pepita und Jacqueline bei Ranetta einkehrte. Er besuchte das Grab seiner Eltern auf dem Deutzer Friedhof und ließ sich von seiner Schwester seine Lieblingsspeisen zubereiten. Danach verließ der bereits stark von der Gicht gezeichnete gebürtige Kölner seine Heimatstadt für immer.
HAStK Best. 1136, A 823
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=F9822E21-6EE3-458D-9499-B6E6975C78D6_000241041_Orig_n_kons1_20190322111256.xml
Reproduktion einer Fotografie, Fotograf n. b.
Familienmitglieder:
Marie (hinten links), Berthe (Mitte hinten), Frau Herminie (hinten rechts)
Pepita (vorne links), Jacqueline (vorne rechts)
HAStK Best. 1136, A 1762
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=366F5BE5-BA80-4004-A0EF-A5BC929A436C_001412847_Orig_n_kons1_20190529110445.xml
Autographer fragmentarischer Auszug für Klavier zu 4 Händen von Hoffmanns Erzählungen, Nr. 2B + 3B 6 S.; 27,0 × 35,2 cm.
Sein letztes großes Werk „Hoffmanns Erzählungen“, an dem Offenbach seit etwa 1877 arbeitete, konnte er nicht mehr fertig stellen. Offenbach starb am 5. Oktober 1880 in Paris. Hoffmanns Erzählungen wurde posthum im Jahr 1881 an der Pariser Opéra-Comique uraufgeführt und in der Folgezeit ein weltweiter Erfolg.
Obwohl Offenbach der Nachwelt über 100 Bühnenwerke und über 70 Cellowerke hinterlassen hatte, geriet er für lange Zeit nahezu in Vergessenheit. Zum 200. Geburtstag Jacques Offenbachs verneigt sich ganz Köln vor seinem großen Sohn, ohne dessen Fleiß und Genie die Musikwelt nachweislich eine andere geworden wäre.
HAStK Best. 1136, A 859
Elektronische Ressource: http://historischesarchivkoeln.de:8080/MetsViewer/?fileName=http%3A//historischesarchivkoeln.de%3A8080/actaproweb/mets%3Fid=B68FADBA-81D1-49CE-8E71-37F3CA18D235_000241019_Orig_n_kons1_20190328085112.xml
Reproduktion einer Fotografie, Fotograf n. b.